Wolfenstein 2: The New Colossus Test / Review

*READ ME* Wichtige Anmerkung: Auf Grund der in Deutschland geltenden rechtlichen Beschränkungen für die Verwendung von Inhalten mit Bezug zum Nationalsozialismus und Neo-Nazi-Organisationen, mussten wir das Spiel in deutscher Sprache testen. Die Regionalisierung des Titels und der Inhalte des Spiels ließen uns keine Optionen offen das Spiel im englischen Original zu testen. 

Mit Wolfenstein 2: The New Colossus bringen Developer MachineGames und Publisher Bethesda die erste direkte Fortsetzung der Franchise auf den Markt. Das Hauptziel des Spiels ist simpel: Nazis töten und das Regime besiegen! Obwohl der zentrale Bestandteil des Spiels simpel ist, schafft MachineGames dem Spiel eine Tiefe und einen Ton zu geben, welche weitaus mehr zum Kampf gegen die Oppression beiträgt. 

Nachdem B.J. Blazkowicz am Ende des letzten Teils General Totenkopf erfolgreich erledigen konnte, setzt das Spiel direkt am Vorgänger an. Das Setting bleibt dabei die retro-futuristische alternative Welt im Jahre 1961, in welcher das Regime die Welt beherrscht. Mit General Totenkopf aus dem Weg ist zwar ein großer Schritt getan, allerdings hält das Regime mit seiner verquerten und kranken Ideologie die Welt weiterhin im Würgegriff. Fünf Monate nach dem Attentat auf General Totenkopf musste sich unser Held B.J. Blazkowicz erholen und selbst diese Zeit reichte nicht aus, um wieder bei voller Kraft zu sein. Das gestohlene U-Boot Hammerfaust, welches von B.J. und seiner Crew als Hauptquartier genutzt wurde, wurde vom Regime entdeckt und angegriffen. Frau Engel, welche ebenfalls im Vorgänger dabei war, wurde zum General ernannt und macht Jagd auf B.J. aKa "Terror Billy" und dem Wiesenau-Kreis. Nach dem überstandenen Angriff von Frau Engel ist jedem klar, dass es nicht so weitergehen kann und das Regime nicht allein vom Wiesenau-Widerstand zerstört werden kann. B.J. Blazkowicz und seine Leute wollen eine Revolution entfachen und den Menschen der Welt zeigen, dass man gegen das Regime ankommen kann und vor allem soll. Ihr Mittel dazu liegt in ihren Augen in den USA: „Erst die USA befreien, dann die Welt!“. Neben dem wiederkehrenden Cast vom Wiesenau-Kreis kommen auch neue Gesichter hinzu. B.J. Blazkowicz muss die verstreuten Widerstandskämpfer in den USA mit dem Wiesenau-Kreis vereinen, damit eine Revolution zustande kommen kann. In der Hauptstory wurden dieses Mal auch wieder die Timelines von Wyatt und Ferguson mit eingebaut. Je nachdem, welcher Gefährte gerettet wird, unterscheiden sich die Cutscenes der Story. Der Speicherstand wird dazu nicht benötigt, da man in einem Flashback das Ereignis nochmals vor sich sieht und entscheiden muss welchen Gefährten man opfern muss. Um alles zu verstehen muss man nicht unbedingt den Vorgänger gespielt haben, da am Anfang des Spiels die komplette Vorgeschichte erzählt wird. 

Die Geschichte hört sich simpel an: verstreute Widerstandskämpfer mit dem Wiesenau-Kreis vereinen, viele und bedeutende Nazis töten um eine Revolution zu entfachen, damit sich die Welt aus dem Würgegriff des Regimes befreien kann. MachineGames schafft es jedoch wesentlich mehr aus der Geschichte zu machen. B.J. Blazkowicz erfährt eine bisher nie dagewesene Tiefe und rückt in den Mittelpunkt des Chaos. Flashbacks die sich hauptsächlich auf seine Vergangenheit mit seinen Eltern konzentrieren, geben uns Hintergrundinformationen die mehr als nur Zeitfüller sind. B.J. hatte mit einem brutalen Vater zu kämpfen, welcher seine jüdische Mutter, wie es scheint, nur aus geschäftlichen Gründen geheiratet hat. Er wuchs unter häuslicher Gewalt auf. Mentaler wie auch körperlicher Missbrauch gehörte zu seinem Heranwachsen. Seine Mutter war seine emotionale Stütze und lehrte ihn jedoch auch positive Dinge wie Mitgefühl und Liebe. Neben den emotionalen Flashbacks redet B.J. Blazkowicz oft in den verschiedenen Missionen mit sich selber. Diese Selbstgespräche zeigen auf, dass die Geschehnisse nicht spurlos an ihn vorbei gehen und er sich Gedanken zu zentralen Fragen des Lebens, wie beispielsweise seiner eigenen Sterblichkeit, macht. Die Flashbacks und Selbstgespräche zeigen vor allem auf, dass B.J. Blazkowicz menschlich ist. Er ist keine emotionslose Tötungsmaschine. Die Tiefe im Charakter von Blazkowicz bringt MachineGames erfolgreich rüber und schafft dadurch weitaus mehr Einsicht in sein Inneres.

Das Gameplay hinterlässt einen starken Eindruck und besitzt nur wenige Mängel. B.J. Blazkowicz lässt sich einwandfrei steuern und das Töten von Nazis macht Spaß in jederlei Hinsicht, egal ob mit einer Waffe oder einem Beil. Das einzige Steuerungsproblem tritt beim Überqueren von Hindernissen auf. B.J. ist hierbei ziemlich wählerisch und nur weil er ein Geländer auf Hüfthöhe im vorherigen Level überqueren konnte, heißt es nicht das er es im nächsten Level auch tut. HP und Rüstung können nicht automatisch regeneriert werden und man greift auf das alte Design von HP-Packs und Rüstungspacks zurück. B.J. Blazkowicz ist zwar ein Nazi Killer aber dennoch nicht unaufhaltsam und dies spiegelt sich auch im Gameplay wieder. MachineGames hat zum Glück das Button Mashing um Munition etc. aufzuheben entfernt und es reicht aus über die Gegenstände zu laufen um diese aufzunehmen. In der ersten Hälfte des Spiels bleibt die HP Anzeige auf 50HP, welche jedoch überladen werden kann. Selbst diese Designentscheidung macht im späteren Spieleverlauf Sinn, auch wenn sie anfangs eher befremdlich und sinnlos erschien. Jede retro-futuristische Waffe hat seinen Vorteil und bringt etwas hilfreiches im Kampf gegen das Regime mit sich. Waffenupgrades und Fähigkeitsvorteile (gewissermaßen Upgrades) kehren ebenfalls zurück. In der Spielewelt sind Waffenkits verteilt, welche man zum Upgraden seiner Waffen benutzen kann. B.J. selbst zu verbessern funktioniert ebenfalls wie im Vorgänger. Anstelle von Upgrade Points oder XP, wird B.J. durch das absolvieren von Herausforderungen über den Spielverlauf verbessert. Die Aufgaben und ihre verbundenen Verbesserungen unterteilen sich in drei Kategorien: Heimlichkeit, Chaos und Taktik. Tötet zum Beispiel mehrere Gegner mit Kopfschüssen und der Schaden verbessert sich wenn man beim Schießen das Zielen (also aiming down sights) verwendet. Das Wechseln der unterschiedlichen Spielstile wird somit gefördert und ist ebenfalls erwünscht. Die Akimbo Funktion kehrt ebenfalls zurück: B.J. kann in beiden Händen Waffen halten und Blut in den Reihen des Regimes fließen lassen. Dieses Mal jedoch mit der Änderung, dass in beiden Händen zwei verschiedene Waffen getragen werden können. Die Akimbo Funktion lässt sich gut steuern, war jedoch in meinen Augen nur in bestimmen Situationen hilfreich. In kleinen Räumen und engen Korridoren fühlte man sich unaufhaltsam, aber auf größeren Flächen steckte man mehr Schaden ein als man austeilte. In den ca. 10 Stunden der Hauptstory verbrachte ich somit mehr Zeit mit einer Waffe in der Hand als im Akimbo-Style. Egal ob laut, leise oder Akimbo-Style – euer Spielstil ist euch überlassen und das Spiel gibt euch die nötigen Utensilien um euren gewählten Spielstil auszuführen. Die Spielzeit kann nochmals verlängert werden, da dieses Mal auch Nebenmissionen auftauchen. Hierbei heißt es: Enigma Codes entschlüsseln, den kommandierenden Nazi im Areal töten und das Viertel befreien.

Die Atmosphäre und Ton des Spiels ist gelungen und funktioniert. Musik ist selten, jedoch angebracht eingesetzt und angemessen zur jeweiligen Situation. In der alternativen Version von Amerika dürfen beispielsweise KKK-Anhänger ihre Zugehörigkeit offen zeigen und laufen in ihren Kutten auf offener Straße herum. Sogar Collectibles tragen zur Illusion einer Naziwelt bei. Beispiel: Schallplatten enthalten Lieder welche auf „Regime-Versionen“ umgeschrieben sind. Die Atmosphäre untermalt größtenteils die Geschehnisse der erzählten Geschichte. Dadurch, dass wir leider nur die deutsche Version spielen können, wird uns jedoch eines der größten stilistischen Mittel geraubt. Jedes gesprochene Wort ist natürlich in Deutsch, das heißt also, dass wir im amerikanischen Setting kein hin und her springen der Sprachen haben. In der englischen Version wird oftmals zwischen Englisch und Deutsch hin und her gewechselt. So versucht beispielsweise eine Mutter in einem Diner ihren Sohn zu fragen was er alles in der Schule gelernt hat. In der englischen Version spricht der Junge natürlich fließend Englisch und stammelt gelernte deutsche Sätze vor. Dies zeigt die Oppression des Regimes in den USA nochmals deutlicher. In der deutschen Fassung spricht der Junge in der erwähnten Szene natürlich alles in Deutsch und hat keinen großen Effekt auf den Spieler. Solche Szenen sind natürlich in größerer Anzahl im Spieleverlauf vorhanden und das fehlende Wechseln der Sprachen raubt einem leider die Illusion einer USA in der Hand des Regimes. Der Tonfall des Spiels ist jedoch sehr gelungen und selbst Humor kommt in passenden Szenen zustande. Oftmals erinnerte mich der Tonfall an Tarantinos Inglourious Basterds. Leider traten einige Audiofehler auf. Beispielsweise wurde in einem Level meine Schüsse fehlerhaft bzw. gar nicht wiedergegeben und in einer Cutscene hatte die Audiospur ca. 10 Sekunden Vorlauf und war dadurch komplett asynchron mit der Videospur. Diese Asynchronität kommt leider öfters vor, zwar nicht in dem Ausmaß wie in der beschriebenen Cutscene, allerdings passen häufig die gesprochenen Worte nicht mit den Lippen der Charaktere überein. Charaktere wirken somit öfter eher wie Puppen anstelle von Menschen. Obwohl die Übersetzung größtenteils erfolgreich ist, fallen einige Charaktere der Synchronisation zum Opfer. Grace, eine Afro-amerikanische Widerstandskämpferin, ist hierbei leider besonders betroffen und bringt im deutschen leider nicht ansatzweise den Vibe rüber welchen sie verkörpern soll. Bei manchen Übersetzungen wusste ich oftmals nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Leider betrifft dies auch unsere Hauptgegnerin Frau Engel. Die deutsche Performance liegt zwischen Himmel und Hölle. Entweder kaufte ich jedes gesprochene Wort ab oder absolut gar nichts. Zum Glück ist die Performance von B.J. Blazkowicz überzeugend. Auch emotionale Momente kommen glaubhaft rüber.

 

FAZIT 8.5 aus 10 

Mit Wolfenstein 2: The New Colossus kommt ein Egoshooter daher, welcher mehr als nur große Töne spuckt. Gameplay, Story und Atmosphäre passen zusammen. Das Töten von Nazis des Regimes macht Spaß und ist im Setting sinnig dargestellt. B.J. Blazkowicz erfährt eine neue Tiefe, die ihn menschlich und greifbar macht. Die Motivation ist ebenfalls vorhanden: man kämpft nicht nur für sich und den Wiesenau-Kreis, sondern auch für die kommende Generation. Der Single Player Egoshooter ist ein fantastisches Spiel mit surrealen Szenen, welche sicherlich Potential für Gesprächsstoff liefern.