11-11: Memories Retold Test / Review

Aardman Animations, die viele wahrscheinlich durch „Shaun the Sheep“ und „Wallace & Gromit“ kennen, wagen mit der Unterstützung von DigixArt und Bandai Namco ihren ersten Schritt in die Kategorie Videospiele. Mit 11-11: Memories Retold wollen sie eine „narrative driven experience“ schaffen die uns zwei spezielle Geschichten aus dem ersten Weltkrieg erzählen möchte. Gelingt diese kleine Zeitreise oder sollen wir lieber im hier und jetzt bleiben?

11-11: Memories Retold handelt um zwei unterschiedliche Personen im ersten Weltkrieg. Auf der einen Seite haben wir Fotograf Harry, ein Kanadier der für die „Tommys“ kämpft, und auf der anderen Seite den deutschen Mechaniker Kurt. Beide könnten unterschiedlicher nicht sein. Harrys Motivationen dem Krieg beizutreten sind naiv, unüberlegt und impulsiv. Sein Hauptgrund ist es seinen Schwarm Julia zu beeindrucken und eine tollte Uniform tragen zu dürfen. Ihr hört richtig, dies ist seine Motivation. Was man in diesem zarten Alter doch nicht alles für seinen Schwarm macht. Er wird als Fotograf im Krieg tätig sein und solle verschiedene Fotos im Verlauf des Krieges schießen. Erst im Laufe der Geschichte sieht es seine Arbeit als wichtiger an als nur Julia zu beeindrucken. Seine Fotos können die Realität des Krieges zu Hause aufzeigen und verschiedene Geschichten mitteilen. Neben den Fotos die wir gezwungenermaßen machen müssen um den Story-Verlauf voran zu treiben, besitzen wir ebenfalls pro Tag 16 weitere Schnappschüsse auf unserer Kamera. Wer möchte kann hier seiner Fotografie-Künste freien Lauf lassen.

Die Motivation von Kurt ist hierbei doch ernst zunehmender. Der Familienvater erfährt auf seiner Arbeit, dass das Bataillon seines Sohnes Max verschwunden ist und niemand weiß was mit den Soldaten geschehen ist. Kurt weiß zwar, dass er seine restliche Familie der Gefahr aussetzte ohne ihn weiterzuleben, aber er möchte unbedingt herausfinden was mit Max geschehen ist.

Harry wird von Elijah Wood und Kurt von Sebastian Koch synchronisiert. Beide Darsteller machen wirklich einen sehr guten Job ihren Charakter Leben einzuhauchen und die jeweiligen Beweggründe wie auch Lebensansichten glaubhaft zu vermitteln. Die Story ist wirklich schon fast eine „anti-war-story“ in der es wirklich jeweils nur um zwei individuelle Geschichten des ersten Weltkrieges geht. Im November 1916, also circa zwei Jahre bevor der Frieden ausgerufen wird, schließen sich unsere Charaktere dem jeweiligen Militär an. Die Geschichte ist hierbei auch von wahren Ereignissen inspiriert worden und reale Ereignisse wie „The Battle of the Somme“ kommen beispielsweise auch in der Geschichte vor.  Leider stolpert die doch ernste Geschichte manchmal in der Übermittlung. Ernste Themen und Ansichten werden doch des öfteren in einer märchenhaften Herangehensweise erzählt und bewirken somit einen Bruch der Immersion des Ganzen.

Wie bereits aus Trailern bekannt laufen sich Harry und Kurt über den Weg und hier kommt der menschliche Faktor des Krieges ins Spiel. Der Krieg soll nicht vermenschlicht werden, aber trotzdem aufzeigen, dass manche Soldaten auch einen internen Kampf hatten mit dem Akt des Tötens oder dem getötet werden. Wer entscheidet über den Tod? Warum muss der Mensch mir gegenüber sterben? Muss ich ihn erschießen nur weil er eine andere Uniform an hat und eine andere Sprache spricht als ich?

Normalerweise sind viele Collectibles einfach nur zum Sammeln und gegebenenfalls zur eigenen „Trophy-Jagd“ nutzbar aber die Collectibles in 11-11: Memories Retold erfüllen auch einen weiteren Sinn. Wir erfahren weitere Hintergrundinformationen zum ersten Weltkrieg mit echten Geschichten, Fundgegenständen oder Fotos. Normalerweise bin ich nicht der „Leser“ der alles durchliest in Games aber in diesem Spiel habe ich mich wirklich auf die nächsten Collectibles gefreut, um noch mehr interessante Infos über den ersten Weltkrieg zu erfahren.

Die Mechnics des Spiels kommen wirklich einer klassischen „narrative experience“ bzw. eines „point and clicks“ gleich. Wir können langsam oder schnell laufen, mit verschiedenen Objekten und Menschen interagieren, wobei wir keine Dialogoptionen haben, und kleine Puzzle lösen. Neben diesen gewohnten Elementen kommen jedoch noch unsere Briefe in die Heimat ins Spiel. Ihr könnt aussuchen welche Bilder Harry per Brief zu Julia schicken soll und euer Schwarm wird unterschiedlich auf eure gezeigten Bilder reagieren. Als Kurt schreibt ihr eure eigenen Briefe an eure Familie. Hierbei könnt ihr immer zwischen zwei oder drei Optionen per Absatz auswählen. Die dritte Variante eines Absatzes schaltet ihr durch Aufgaben oder Zuhören während der Story frei. Neben Harry und Kurt werdet ihr auch in gewissen Abständen die dazugewonnenen, tierischen Begleiter spielen. Kurt läuft eine Katze hinterher und Harry erhält in einer Taube einen gefiederten Freund. Die Sektionen der tierischen Freunde sind im gesamten Spielverlauf ziemlich rar, aber nutzen somit auch den gewünschten Effekt nicht ab. Zwar besitzen wir keinerlei Dialogoptionen, allerdings gibt mehrere Enden des Spiels. Mehr als fünft Enden warten auf euch und werden durch eure Handlungen und Entscheidungen innerhalb des fünft stündigen Story-Verlaufs festgelegt.

Der Art-Style von 11-11: Memories Retold fällt sofort ins Auge. Es erinnert stetig an ein Gemälde welches zum Leben erweckt wurde. Der Art-Style ist jedoch positiv wie auch negativ zu betrachten. Es bringt etwas noch nie dagewesenen, emotionales und zugleich ein abstraktes Erlebnis mit sich. Gleichzeitig stößt es jedoch auch hierdurch manchmal seine Grenzen. Nur die Gesichter wichtiger Hauptcharaktere werden dargestellt, Nebencharaktere erhalten keinerlei Gesichtszüge. Oft wirken hierdurch die Nebencharaktere leblos und auch ungewollt „creepy“. Gesichtsausdrücke der Nebencharaktere sind also null vorhanden und die Hauptcharaktere können durch die Gesichtsanimationen leider auch keine Emotionen rüberbringen. Zum Glück machen vor allem Elijah Wood und Sebastian Koch einen so guten Job, dass sie Harrys und Kurts Emotionen mehr als glaubhaft über ihre Stimmen vermitteln können. Animationen im Spiel wirken leider oft hölzern und steif. Dies nimmt dem Spiel nicht wirklich etwas ab, sondern zeigt einfach nur, dass Aardman Animations sich weiterhin auf einem neuen Gebiet ihrerseits befindet.

Die musikalische Untermalung kommt zwar nur seltener zum Einsatz aber dafür immer passend. Die Musik trägt immer unterstützend zur Gameplay-Szene bei und schafft es die jeweiligen Emotionen zu verstärken. Sprachlich gesehen ist mir das Spiel zu inkonsequent. Harry erlebt natürlich alles auf englischer Sprache und schreibt seiner Liebe Julia natürlich ebenfalls auf Englisch. Das alle Soldaten untereinander auch englisch sprechen ist natürlich ebenfalls ein No-Brainer. Bei Kurt ist es jedoch leider so, dass er sich mit seinen Kameraden auf Deutsch unterhält, aber seine Briefe nach Hause und seine internen Monologe auf Englisch vollzieht. Seine Frau schreibt ihm ebenfalls auf Englisch zurück.

Dies nimmt des Öfteren die Immersion des Spiels. Vor allem wenn Harry auf Kurt trifft und Kurt auf einmal kein Wort Englisch versteht. Es fühlt sich so an als ob Aartman Studios die Spieler nicht zwingen wollte noch mehr Untertitel zu lesen, als ohnehin schon notwendig. Das man dieses stilistische Mittel jedoch durchzieht und Kurt alles auf Deutsch sprechen lassen hätte, à la Quentin Tarantino Style, hätte den gewünschten Effekt jedoch noch weiter verstärken können.

 

Fazit 8.0 aus 10

11-11: Memories ist eine Zeitreise wert. Die "narrative experience" schafft es, dass uns zwei individuelle Geschichten aus dem ersten Weltkrieg glaubhaft übermittelt werden, auch wenn es manchmal etwas ins märchenhafte auslenkt. Harry und Kurt sind sensationell von Elijah Wood und Sebastian Koch synchronisiert. Gamer für die "narrative expierences" nicht sind wird 11-11: Memories Retold zwar leider nicht überzeugen können, aber Fans des Genre sollte sich dieses Spiel nicht entgehen lassen. Gepaart mit dem etwas speziellen Art-Style ist es ein gelungener ersten Schritt von Aardman Animations.