Assassin's Creed Odyssey Test / Review

Assassin’s Creed Odyssey war drei Jahre unter Ubisoft Quebec in der Entwicklung und das Spiel will den nächsten Schritt ins RPG-Genre wagen. Neben neu eingebauten Entscheidungen und neuen Gesprächsoptionen sollen weiterhin die Standsäulen Geschichte, Adventure und Geheimnisse uns in die damalige Welt von Athen entführen. Schafft Assassin’s Creed Odyssey nach olympischem Gold zu greifen?

Wir werden in die „golden age of Athens“ entführt und befinden uns ca. 430 BCE am Anfang des Peloponnesischer Krieg. Es ist Periode in der Geschichte in der wir uns befinden ist passend für das Setting. Soziale wie auch politische Intrigen, Krieg zu Wasser wie auf Land und natürlich Mythen und Legenden. Entweder als Alexios oder als Kassandra dürfen wir unsere eigene Odyssee starten. Von Anfang an treten die neuen RPG Elemente hervor und wir können uns entscheiden wie wir uns in Gesprächen und Situationen verhalten wollen.

Ohne die Story zu spoilern kann jedoch gesagt werden, dass unser Charakter durch eine Familientragödie sich nicht mehr in seiner Heimat Sparta befindet. Wir sind alleine und unser einziger Freund ist unser Adler Icarus. Unsere Berufung? Mercenary! Wir stammen zwar von Leonidas aus Sparta ab und besitzen ebenfalls dessen „heiligen“ Speer aber ansonsten ist nicht viel rosig in unserem derzeitigen Leben. Als Söldner kommt am Anfang jeder Job gelegen, um etwas mehr Geld in die Tasche zu bekommen. Unser anfängliches Ziel ist es unsere Familiengeschichte aufzuarbeiten und Fragen zu beantworten zu denen uns die Antworten bisher verwehrt geblieben sind. Da viele Assassin’s Creed kennen, kann man sich bereits denken, dass es dabei nicht bleiben wird.

Die Story kann in drei Abschnitte eingeteilt werden: unsere Familiengeschichte, der „Cult of Kosmos“ als geheime Organisation im Hintergrund der Gesellschaft (bereits auch aus Trailern bekannt) und die Geschichte um die erste Zivilisation, welche in der Gegenwart spielt und  Layla Hassan aus Origins zurückbringt. Unsere Familiengeschichte dient hierbei als „main story“ und alles Weitere kann der Spieler nach seinen Wünschen erforschen…oder auch nicht. Die alten Tage von Missionen sind auch in Odyssey Geschichte und wir erhalten im RPG-Style einzelne Quests.

Quests sind unterteilt in „Odyssey“, „World“ und „Character“. Die Unterteilung ist sinnig und erleichtert das Planen der eigenen Reise. Schade ist es jedoch, dass eine zentrale Frage der eigenen Familiengeschichte zu lange hinausgezögert und das „pacing“ der Geschichte unnötig verlängert wird. Obwohl wir uns später in einer Position befinden, in der wir unsere Frage beantwortet haben hätten können, müssen wir noch zahlreiche weitere Aufgaben meistern bevor wir endlich eine Antwort bekommen. Obwohl die Twists und Turns der Geschichte wirklich greifen, nimmt die oftmals lange Vorarbeit die Freude etwas raus. Es hat ca. 42 Stunden gedauert bis ich die „main storyline“ abgeschlossen hatte.

Eine der Erneuerungen liegt im Slogan des Spiels: „choose your own fate“. Wir entscheiden über alles selbst. Wie sollen unsere Gespräche verlaufen? Welche Entscheidungen wollen wir treffen? Mit welchen Personen wollen wir eine Romanze eingehen? Viele Optionen sind für uns offen gestaltet und Odyssey macht für die Franchise einen ersten passablen Versuch in diesem Belangen. Denn nicht alles ist wirklich uns überlassen, da wir in manchen Sektionen wir doch zu Aktionen getrieben werden, die uns vielleicht gar nicht genehm sind. Außerdem können manche Dialoge und Romanzen wirken doch recht simpel und oftmals unangenehm übermittelt werden. Nichtsdestotrotz haben unsere jeweiligen Entscheidungen Auswirkungen auf unseren Spielverlauf und auf Meinungen anderen Personen unseres Charakters gegenüber. Manche Entscheidungen verfolgen uns sogar bis zum Ende des Spiels, sodass das Spiel ebenfalls über neun unterschiedliche Endszenarien verfügt.

Eine weitere Erneuerung des Spiels ist der „exploration mode“. Der Modus soll uns einen natürlichen Weg zur Questentdeckung und Questgegenständen geben. Fast alle Marker auf der Map und im HUD sind hierbei ausgestellt, sodass das Eintauchen in die Welt nochmals verstärkt wird. Hierbei sollen wir vor allem durch Hinweise aus der Umwelt und Gesprächen zu weiteren Aufgaben und Geheimnissen geführt werden. Man kann jedoch jederzeit zum bekannten „guided mode“ wechseln, wenn dies dem eigenen Spielstil mehr entsprechen sollte.

Nur sehr wenige Spiele schaffen es Geschichte, Action, Mythen und atemberaubende Landschaften so ineinander zu verknüpfen wie Assassin’s Creed Odyssey. Nicht nur einmal sagte ich mir „nur noch eine Quest und dann mache ich Schluss“, um danach doch noch immer weiter zu spielen. Es ist immer wieder atemberaubend, wenn man an bekannte Orte zum ersten Mal ankommt und diese erkundet. Vorallem die Region von Olympia hat es mir (persönlich sehr) angetan. Altis, Heratempel, Zeustempel und das Stadion „live und lebendig“ zu erleben war als ehemaliger Sportstudent wirklich eine Reise wert (wäre die Vorlesung damals doch nur so interessant gewesen). Das alte Griechenland ist optisch gesehen wirklich eine Reise wert. Von weißen Sandstränden zu herbstlichen Wäldern bis hin zu Städten und riesigen Statuen.

Die Map soll ca. 130 km² entsprechen und ist somit ca 62% größer als vom Vorgänger Origins. Da „naval combat“, wie in Assassin’s Creed Black Flag, wieder dabei ist, bleibt es natürlich nicht aus, dass ein Großteil der Map aus Wasser besteht. Nichtsdestotrotz ist es mehr als beeindruckend, dass man die gesamte Spielwelt ohne Ladezeiten durchqueren kann. Die einzigen Ladezeiten treten entweder beim Fast Travel oder vor Cinematics auf. Der „day and night circle“ sowie die verschiedenen Wetterlagen lassen die Welt wirklich lebendig wirken. Des Öfteren stand ich auf einem erhöhten Punkt der Map und genoss einfach die Aussicht. Falls ihr doch Mal mit eurem treuen Gefährten Icarus die Welt aus der Luft sehen möchtet, bleibt hier jedoch manchmal eine lange Ladezeit bei der Rückkehr zu eurem Charakter leider nicht aus.

Die Größe und die Inhalte/Aufgaben von Odyssey sind so massiv groß und viel, dass es schon manchmal etwas erschlagend sowie einschüchternd wirken kann. Schade ist manchmal, dass nicht sofort sichtbar wird, welche Nebenmissionen sich aus erzählerischer Sicht lohnen. Nicht nur die Main Questline, sondern auch viele Nebenmissionen haben viel Liebe und eigene Geschichten erhalten. Viele davon sind traurig, lustig, spannend und haben ihre eigene Geschichte zu erzählen. Allerdings gibt es auch so einige Botengänge wie „sammel dies und das ein und kehre zurück“. Manchmal hat man Glück und selbst solche anfangs banalen Aufgaben enden in ihrer eigenen Geschichte aber des Öfteren hört es nach dem Botengang direkt auf. Hierbei wäre es schön gewesen, wenn man von Anfang an einen kleinen Indikator der Größe der jeweiligen Questline bekommen hätte. Die Character-Missions sind hierbei jedoch hervorzuheben. Wenn ihr die Chance dazu bekommt solltet ihr diese auf jeden Fall spielen, da wirklich die meisten sehr lohnenswert sind.

Das Kampfsystem ist wie in Origins an einem Hitbox-System angeknüpft, mit der einzigen Änderung, dass wir kein Schild mehr tragen können. Wir können nicht mehr blocken und müssen uns auf unsere „dodges“ und „parries“ verlassen. Entweder weichen wir Attacken aus oder können durch ein gezieltes Parieren die Gegner in ihrem Angriff stoppen (außer wenn die Gegner rot oder gold leuchten). Hierbei können wir auch Gegner direkt anvisieren und uns auf einen Gegner konzentrieren. Im Einzelkampf hilft dies ungemein, allerdings gibt es weiterhin in großen Massen ein Problem beim Gegnerwechsel. Ein ums andere Mal wurde hier der falsche Gegner anvisiert und der Kampf ohne Fokussierung machte in größeren Gruppen mehr Sinn. Loot und das Gear-System kehren ebenfalls wieder. Allerdings sind „legendary drops“, also goldhinterlegte Gegenstände, so häufig, dass sie sich nicht so aufregend anfühlen wie in anderen RPGs.

Da wir uns im Peloponnesischer Krieg befinden darf eine aktive Teilnahme an der Schlacht zwischen Sparta und Athen natürlich nicht fehlen. Die Map ist in verschiedene Bereiche unterteilt und die Macht über einen jeweiligen Bereich besitzt entweder Sparta oder Athen. Durch verschiedene Aktionen im Bereich sinkt die Macht der jeweiligen Partei, bis sie irgendwann so tief ist, dass ein „conquest battle“ gestartet werden kann. Hierbei wird der neue Machthaber des Bereiches bestimmt. Wir können entweder dem Machthaber in der Verteidigung oder dem Angreifer beim Angriff unterstützen. Verteidigung ist etwas leichter als der Angriff, birgt aber dafür nicht so große Belohnungen. Diese großen Schlachten sind wirklich sehr schön inszeniert aber oftmals nimmt das Spiel dieses Element des Spiels nicht selber so ganz ernst. In der Main-Story helft ihr einer Partei und im Side-Quest Content, im selben Bereich wohlgemerkt, helft ihr der anderen Partei. Dies ist ziemlich unsinnig und bringt eine Dissonanz in einem auf die man nur sehr schwer abschütteln kann.Die Schlachten sind auf ein paar wenige Ausnahmen jedoch völlig optional.

Das Level-Up System ist schon fast suchterzeugend und macht die Gewinnung von hohen XP-Zahlen immer zum freudigen Erlebnis. Mit jedem Level-Up erhalten wir einen Ability Punkt. Den Punkt können wir in drei verschiedene „Skill-Trees“ stecken: Hunter, Warrior und Assassin. Hierbei gibt es aktive wie auch passive Abilities und es ist schön zu sehen, dass nun auch Fernkämpfer mit Bogen neue und starke Abilities zur Auswahl haben. Schade ist es jedoch für die Spieler, die sich nur für die „main story line“ interessieren, da sie gezwungen werden viele optionale Missionen abzuschließen, weil nach ca. zwei drittel des Spiels es zu einen großen Levelsprung an „level recommendation“ kommt. Eine Story Quest auf Level 26 zu setzten und die sofort darauffolgende auf Level 33 zu setzen bringt einen Grind mit sich, die nicht unbedingt alle Spieler begrüßen werden. Schön ist es jedoch, dass wir unseren Charakter mit Skill Abilities ausstatten können wie wir wollen und nur wenig Bestrafung bei einer "Verskillung" erhalten. Ihr könnt einfach für eine kleine Summe an Drachmae, die In-Game Währung, euch eure Skillpunkte zurück holen und neu verteilen.

Nicht nur unseren Charakter, sondern auch unser Schiff, die Adrestia, kann aufgewertet werden. „Naval Combat“ kommt dem damaligen Kampf auf dem Wasser von Black Flag sehr nah, außer, dass wir nun auch dort mit „adrenaline points“ arbeiten können. Neben verschiedenen Upgrades können auch „Lieutenants“ rekrutiert und in die Schiff-Crew mit aufgenommen werden. Verschiedene Lieutenants haben auch unterschiedliche Perks und Attribute, die eurem Schiff zu Gute kommen. 

Das Mercenary-System im Spiel wurde ebenfalls überarbeitet. Hierbei wurde sogar ein kleines Meta-Spiel einführt, welches mir doch mehr Spaß bereitet hat als ich am Anfang dachte. Sobald ihr zu viele "schlechte Dinge" in der Welt anstellt, wird eine Bounty auf euren Nacken gesetzte und andere Mercenaries wollen euch an den Kragen. Mercenaries sind hierbei in verschiedene Gruppen eingeteilt und haben eine Art Rangsystem. Wenn ihr andere Mercenaries ausschaltet steigt ihr in den Rängen auf und erhaltet weitere Boni im Spiel wir beispielsweise weniger Kosten bei Blacksmiths. Oft kommen die anderen Widersacher doch nur ziemlich ungelegen. Nicht nur ein Mal befand ich mich in einer Quest in der auf einmal zwei neue Mercenaries auftraten und ich mich auch noch denen herumschlagen musste.  Dies war jedoch nur frustrierend wenn die Bounty auf meinen Kopf so hoch war, dass Mercenaries so überlevelt waren, dass ich mit einem Schlag gestorben bin.

Der bekannte und typische Assassin’s Creed Parkour Fortbewegungsstil hat zum Glück ebenfalls neue Verbesserungen erhalten. Sie sind zwar klein aber fein. Egal ob abwärts oder aufwärts. Gefühlt 99% der Map kann beklettert werden und das Halten einer einzigen Taste ist ein willkommenes „life improvement“ im Spiel.

 

Leider muss aber auch erwähnt werden, dass die typischen Assassin’s Creed Fehler im Spiel weiterhin vorhanden sind. Texturen brauchen öfters Mal länger zum laden und Wände und Felswände sehen dadurch öfters nicht erklimmbar sowie aus Pappmache aus. Pferde und andere Personen stehen öfters Mal halb in der Luft und Lippen bewegen sich asynchron zum Ton. Zum Glück geschieht dies nur ziemlich selten und zerstört somit nicht das große Ganze der Welt. Trotzdem muss ich auch leider erwähnen, dass mein Spiel sich zwei Mal nach dem Fast Travel aufgehangen hat und ich es komplett schließen musste um weiterzuspielen. Ein Mal kam es dazu, dass ein NPC einer Quest nicht gespawnt ist und ich dadurch die Quest nicht abschließen konnte. Das Spiel wurde auf einer PS4 Pro getestet und es bleibt abzuwarten, ob andere Spieler die gleichen Probleme hatten und ob Ubisoft mit einem Patch versucht die Fehler zu beheben.

 

Fazit 9.0 aus 10  

Ihr besitzt Freiheiten wie nie zuvor in einem Assassin’s Creed Titel. Die neuen RPG-Elemente sind neben der Ausnahme von ein paar Stolpersteinen gut ins Spiel integriert. Es ist wirklich eure eigene Odyssee und ihr könnt selbst bestimmen wie ihr eure Reise antreten wollt. Egal ob es sich um euren Kampfstil, euer Equipment, eure Entscheidungen und Gespräche dreht, ihr könnt euren Charakter so spielen wir ihr es möchtet. Nach mehr als 40 Spielstunden möchte ich weiterhin direkt ins Spiel zurückkehren um noch weitere Geheimnisse zu lüften und mythische wie auch reale Gegner zu bekämpfen. In diesem Spiel passt wirklich der Satz: der Weg ist das Ziel!